Meine Glieder schmerzen noch immer vom Abstieg und ich soll bald wieder los, in die Kälte, schlafen in kalten Bretterbuden im Schlafsack, ewig das gleiche essen, einen hohen Berg besteigen ? Motivation sieht anders aus und so geniesse ich für 4 Tage meine schlechte Stimmung. Die letzten beiden Tage nutze ich dann aber zur Vorbereitung meines Abenteuers, der Besteigung des 6476 Meter hohen Mera Peaks. Gottlob geht es nicht per Bus los, jedoch hat der Flughafen von Lukla auch seine traurige Berühmtheit erlangt als einer der gefährlichsten der Welt. Wieso das so ist, wird einem schlagartig klar bei der Landung, denn die Piste ist erstmals waghalsig kurz und schlimmer noch, steigt steil an ! Das gibts auf der ganzen Welt wohl nur hier ! Bei der Landung fliegt man von der einen Seite des Tals einfach auf einen Berg zu und irgendwann signalisiert einem ein gewaltiger Rumms, dass das Flugzeug offensichtlich gelandet ist. Der Führer meiner Tour, Lakpa Sherpa, nimmt mich bereits am Flughafen in Empfang und der Träger, dessen Name ich schon vergessen habe, darauf im Hotel.
Wie schon bei meinem Vorbereitungstrek habe ich wieder Glück mit den Touristenmassen, denn von Lukla aus gehen fast alle auf den Everest Base Camp Trek. Nur die Verwegenen gehen in die andere Richtung und müssen bereits schon am zweiten Tag den ungemütlichen, 4600 Meter hohen Zatrwa La Pass bewältigen, zu meiner Freude natürlich voll von Neuschnee. Und zu meinem weiteren Vergnügen geht es kurz darauf wieder runter bis zu einem Bachlauf, 1500 Meter Abstieg inklusive, so dass der ganze Höhenanstieg für die Katz war. Aber das ist wirklich Himalaya pur ! Immerhin sehen wir zum ersten Mal den Mera Peak, ein riesiger Klotz von Berg weit oben in den Wolken ! Und auf den will ich ? Mein Gott bin ich ein Idiot !! Doch erstmals geht es weiter das Tal hinauf bis in die letzte Lodge auf bereits schon 5000 Metern. Gottlob habe ich keine Kopfschmerzen, nur das Herz hämmert auch nachts wie wild ! Etwas befremdend nehme ich die vielen täglichen Helikopterflüge zur Kenntnis, doch mein Sherpa sagt nur stoisch: rescue. Wie recht er damit hat werde ich nur allzu bald selbst erfahren....
Nun kommt die Stunde der Wahrheit: Wir montieren die Plastikschuhe, ziehen die warmen Hosen an und machen uns auf den beschwerlichen Weg auf den Gletscher und über diesen dann ins High Camp. Bis etwa 100 Meter unterhalb des High Camps geht eigentlich alles gut bis ich plötzlich beginne zu schnaufen wie eine alte, rostige Dampflokomotive und bei bestem Willen fast keinen Schritt mehr vorwärts machen kann im steilen Firn. Immer wieder (d.h. alle 5 Schritte) muss ich Pause machen und auf meine Stöcke gestützt schnaufen wie ein alter Gaul !! Mit Mühe erreiche ich dann aber doch das High Camp auf stattlichen 5800 Metern. Der Träger hat das Material schon im voraus hochgetragen und mein Sherpa beginnt, für uns Zwei das lauschige Nachtlager aufzubauen. Bis jetzt geht alles gut und die Sonne scheint bis um 4 am Nachmittag. Dann beginnt schlagartig der ungemein ungemütliche Teil, den ich wohl Zeit meines Lebens nicht mehr vergessen werde ! Die Temperatur in der sternenklaren Nacht fällt und fällt und es wird kalt und kälter. So ziehe ich mich um 6 in meinen Schlafsack zurück, der eigentlich bis – 40 Grad gemacht ist. Doch nicht mal eine Stunde später (nach einem noch gemütlichen warmen Nachtmahl) beginnt das Schlimme !! Die dicke Isoliermatte ist von der Atemluft von uns beiden gefroren und die Bodenkälte kommt ungeflitert ins Schlafsackinnere. Alles innerhalb des Zeltes beginnt zu gefrieren und so schlottere ich halt im eigentlich warmen Schlafsack was das Zeugs hält.
Mein Sherpa kennt die Situation und er hockt sich einfach in allen Kleidern auf den Materialsack und wartet bis es Zeit ist. Um 2 am Morgen macht er mich dann drauf aufmerksam, dass es Zeit zum Aufstehen ist. In meiner Ganzkörperschlotterhaltung nehme ich das zur Kenntnis und kann mich bei bestem Willen nicht aufraffen, den Schlafsack zu verlassen. Es graust mich selbst jetzt beim Schreiben dieser Zeilen wieder an diese furchtbare Nacht. Hartnäckig wie er ist probiert er es bis zur wärmenden Sonne um 8 am Morgen noch einige Male, doch ich habe nicht die Energie, mich anzuziehen, anzuseilen, den Pickel in die Hand zu nehmen und mich am Seil mit meinem Sherpa auf den Weg zu machen. Hier habe ich mein Limit an Robustheit erreicht. Mein Tropenleben scheint tatsächlich seine Spuren hinterlassen zu haben.....Selbst beim Binden der Schuhe macht mir das Atmen ungemein Probleme und ich muss sogar Pausen einlegen. Zusätzlich ist mein einziger Satz Socken immer noch nass !
So freue ich mich auf die wärmenden Sonnenstrahlen und das Panorama, das selbst vom Gipfel aus nicht besser ist: Die Achttausender Cho Oyu, Mount Everest, Lhotse, Makalu und Kanchenjunga grüssen ohne ein Wölklein und ich bin wieder begeistert ! So machen wir uns auch wieder auf den Weg, der halt nur der Abstieg ist, aber ich hab immerhin mein Minimalziel, das High Camp auf 5800 Metern, erreicht und bin trotzdem glücklich und zufrieden, etwas weiter in der Himalaya Luft geschnuppert zu haben und auch wieder selbständig auf eigenen Füssen den 4 tägigen Rückweg nach Lukla anzutreten. Dass das nicht selbstverständlich ist und diese Höhe schonungslos für jeden einzelnen ist, sehe ich kurz darauf selbst: Einer sehr starken Spanierin hat es auf dem Weg zum Gipfel alle 10 Zehen abgefroren und musste am nächsten Tag vom Helikopter nach Kathmandu geflogen werden; einen Tag vorher hat sich nachts eine Amerikanerin verirrt und musste am nächsten Tag vom Helikopter gesucht werden; eine junge Slowenin, die am gleichen Tag im High Camp war und eigentlich mit Skiern vom Mera Peak fahren wollte, musste mit akuter Höhenkrankheit ausgeflogen werden; 2 Tage vorher hatte einer auf dem Mera Peak einen Handschuh zu lange nicht an der Hand und hat sich alle 5 Finger erfroren; weitere mindestens 5 Leute in wenigen Tagen mussten wegen Höhenkrankheit ebenfalls ausgeflogen werden; 3 Russen mussten wegen Erschöpfung ausgeflogen werden und .....das ist nur das was ich selbst direkt miterlebt habe.......
So ist es kein Wunder, dass ich zufrieden und motiviert zusammen mit meinem kleinen Team wieder den Rückweg antrete und nach insgesamt 7000 Höhenmetern rauf und wieder runter (Nepali flat – little bit up, little bit down) nach 11 Wandertagen wieder heil in Lukla ankomme. Das letzte Hindernis zurück in die Zivilisation ist dann der Start mit dem altersschwachen Propellerflugzeug der Firma Tara Air: Vollgas geht es die steile Startpiste runter und da ich jetzt diese Zeilen schreibe, geht offensichtlich alles gut und wir heben kurz vor dem Abgrund ab und kurven in das steile Himalaya Tal und Richtung Kathmandu.
Nach einigen Tagen der Erholung in Kathmandu (Höhepunkt des Tages: die heisse Dusche und 1 grosse Tasse wundervollen Iitalienischen llly Cappuccino) geht es nach einem super Flug mit einer fantastischen Aussicht auf die majestätische Bergkulisse des Himalaya inklusive Mount Everest wieder vollständig in die Zivilisation nach Bangkok. Hier wird mir beim Schlendern durch die moderne Stadt wieder bewusst, wieviel unnötiger Zivilisationsmüll eine moderne, konsumorientierte und markendeterminierte Gesellschaft eigentlich mit sich trägt (beispielsweise der unsinnige Handywahn) und wie weit sie sich von ganz essentiellen, zwischenmenschlichen Sachen entfernt hat, die ich bei den tollen Menschen im Himalaya, insbesondere bei den Sherpas, habe erleben dürfen.
Was bleibt nun für ein Fazit ?
Kurz gesagt: Ab 5000 Metern wird es im Himalaya bereits schon bei guten Wetterverhältnissen ernsthaft und die Toleranzgrenze, die man in den Alpen noch hat, gibt es hier nicht mehr. Nicht vorstellbar, wenn es noch Wind gehabt hätte oder Schnee oder was weiss ich ?
Obwohl ich ganz anständig trainiert war und bis 5500 Metern sehr gut zu Fuss war, braucht es einiges mehr, um weiter nach oben zu gehen und wieder gesund runter zu kommen. Dieser körperliche Aufwand zur Vorbereitung über einige Monate am besten direkt in den Bergen bin ich nicht bereit zu leisten nur wegen eines Berges. Geht man weiter nach oben, steigt auch die Gefahr eines seriösen Zwischenfalls oder sogar eines Todesfalls. So sind in kurzer Zeit am knapp 7000 Meter hohen, technisch anspruchsvollen Ama Dablam 2 Bergsteiger aus Deutschland und Russland tödlich verunglückt.
So bleibt bei mir die Erkenntnis, dass ich sehr gerne wieder zurück in den Himalaya gehe aber die Berge denjenigen überlasse, die körperlich weitaus besser trainiert sind als ich und auch bereit sind, für die Besteigung eines solchen Berges mehr Risiken in Kauf zu nehmen als ich für mich selbst je bereit sein werde. Dazu ist mir mein einziges Leben, so wie ich es seit über 7 Jahren führen darf, einfach zu wertvoll. Doch die tolle Erfahrung bleibt und kann mir niemand nehmen....
![]() |
Abenteuerliche Landung in Lukla |
![]() |
der erste happige Anstieg auf den Zattrwa La Pass |
![]() |
Anstieg zum High Camp und zum Gipfel |
![]() |
Anstieg bis in die Wolken... |
![]() |
beim Aufbau des Zeltes.... |
![]() |
mein Sherpa beim Kochen des Dinners |
![]() |
Mount Everest, Lhots, Ama Dablam, Makalu..... |
![]() |
auf 5800 Metern.... |
![]() |
kritscher Anstieg unterhalb des Gletschers |
![]() |
das letzte Dorf auf 5000 Metern |
![]() |
einer der Namenlosen |
![]() |
wieder zurück in Lukla mit meinem Team |
![]() |
Blick zum Mount Everest vom Flieger nach Bangkok |