22 March 2011

37. Indien 2


Madurai, 17. - 19. Januar
Nach einer kurzen 3 stündigen Busfahrt im komfortablen sogenannten Deluxebus lande ich in Madurai, einer offensichtlich uralten Stadt immer noch in Tamil Nadu, wo ich wiederum den riesigen Tempel besuche, der sich auf einer Fläche von 3 ha erstrecken soll. Doch es geht mir hier wie im Tempel in Trichy: ich schaue dem Treiben der tausenden von Pilgern aus ganz Indien fasziniert zu, doch eine selbst nur zaghafte Annäherung an diese Religion bleibt mir fremd: Wieso dass die sich mit verschiedenen Farben bestreichen, Ochsen aus Stein wie einen Gott betatschen oder sich Öl ins Haar schmieren ist mir völlig unklar. So fühle ich mich hier als völliger Aussenseiter und bin ob der Architektur auch etwas enttäuscht, die bei den Jaintempeln von Ranakpur und Mount Abu in Rajasthan wesentlich faszinierender war. So mache ich mich denn nach einem 2 tägigen Aufenthalt bereits schon wieder im Nachtzug auf den Weg erstmals an die Westküste von Indien nach Trivandrum, der Hauptstadt des Bundesstaates Kerala.

Trivandrum, 20. - 23. Januar
Weiter südlich als hier geht es auf meiner Reise nicht mehr, obwohl es nur knapp 100 km wären bis ans Kap. So besichtige ich hier den netten Maharadscha Palast und den Zoo, der sämtliche Grosskatzen führt, die man sich nur vorstellen kann und zwar in grösstenteils sogar einigermassen artgerechten grosszügigen Freilaufgehegen. Ob die beiden Schlangen und das murmeltierartige Ding jedoch, die ich im Zoo ausserhalb der Gehege entdecke, nun wirklich wild leben, aus einem der vertrauungsunwürdigen Gehege ausgebrochen oder sich als geplantes Futter aus dem Staub gemacht haben bleibt wohl für immer deren Geheimnis.
Ansonsten erreichen hier die Temperaturen ihren vorläufigen Höhepunkt meiner Reise, das heisst, dass ich regelmässig klimatisierte Restaurants aufsuchen muss zum Abkühlen (gekühlte und moderne Shopping Malls sind fast immer Fehlanzeige in Indien) und mich an den unzähligen Fruchtsaftständen laben muss, die hervorragende frischgepresste Fruchtsäfte auf Nachfrage auch ohne Wasser- und Zuckerzusatz verkaufen.

Kollam, 23. - 26. Januar
Ein kurzweiliges Fährtchen im luftgekühlten Reisebus (auf gut deutsch einer Klapperkiste ohne Fenster) entlang Palmenwäldern bringt mich nach Kollam, dass das südliche Ende der berühmten Kerala Backwaters darstellt. Natürlich bin ich dann am nächsten Tag gleich dabei, diese auf einer Tour auszukundschaften, doch es muss wohl sein, dass ich schon zu lange in den Tropen lebe, dass ich nicht ganz so begeistert bin und mich bald schon per Schiff ins nördliche Allepey begebe.

Allepey, 26. - 28. Januar
Obwohl ich unglücklicherweise am indischen Republic Day reise und es dementsprechend viele Ausflügler gibt, schaffe ich es eine Stunde vor Abfahrt noch, den letzten Sitzplatz auf dem Oberdeck des Schiffes zu ergattern. Die gesamte Fahrt dauert 8 Stunden und führt durch die zum Teil sehr engen, zum Teil parallel zum Meer führenden Kanäle der Kerala Backwaters in meist wirklich romantischer Palmenlandschaft und begleitet von unzähligen verschiedenen Vögeln wie dem zwar kleinen dafür aber sehr bunten Kingfisher. So kann ich am Abend im sehr warmen Allepey diesen Tag als einen der bisher schönsten meiner Indien Ferien verbuchen, als ich mich schweissüberströmt in ein klimatisiertes Restaurant rette. Trotz meiner Bestellung "absolutely not spicy" brennt das Zeugs fürchterlich im Mund und so gibt es halt fürs Restaurant noch eine Ehrenrunde zu kochen, bevor ich mein Essen endlich zu mir nehmen kann. Das Nachtessen am nächsten Tag verläuft dann, vermutlich auch wegen meiner australischen Bekanntschaft vom Boot, nicht mehr ganz so scharf und somit entfällt auch die Ehrenrunde fürs Restaurant.
Da das ganze hier sehr touristisch ist und ich schöne Seiten der Kerala Backwaters nun gesehen habe beschliesse ich nach einem Ruhetag gleich weiter nördlich nach Cochin zu reisen.

Cochin, 28. - 30. Januar
In nur 1.5 Stunden fahre ich wiederum in einer luftgekühlten Klapperkiste nach Cochin und gleich beim Busbahnhof finde ich ein super tolles Hotel, das erst letztes Jahr renoviert wurde. Nach einigem Wehklagen wegen dem Lärm (das Dauerthema für mich in indischen Hotels wegen völlig unzureichend lärmdämmenden Fenstern) werde ich auch noch für einen grosszügigen Rabatt in ein besseres Zimmer mit dem Namen Deluxe umplaziert.
Cochin ist in einigem etwas vom üblichen indischen Städtechaos weg, hat eine schöne Meerespromenade, ist weniger schmutzig, hat einige Malls etc. So geniesse ich denn trotz sehr heissen Temperaturen bis 35 Grad einige schöne Tage und besuche auch das alte historische Fort Cochin (mit englischem, holländischen und portugiesischem Einfluss), das nur eine nette Bootsfahrt von der Stadt entfernt liegt.

Munnar, 30. Januar - 3. Februar
Endlich geht es heute in die Berge zum Abkühlen, mit dem Bus fahre ich ins 1500 m hoch gelegene Munnar, das auch als Teeanbaugebiet bekannt ist. Mit der Abkühlung haben die es aber ernst gemeint hier oben, denn nachts wird es echt kalt und so muss ich mir sogar eine zweite Wolldecke ordern, damit ich die Nacht einigermassen überstehe. Am Tag wird es dann aber wieder schön warm und so miete ich mir ein Motorrad und fräse damit in der Gegend rum, sprich vor allem durch Urwald, Eukalyptuswälder und natürlich unzähligen, wunderschön in den Hügeln gelegenen Teeplantagen. Obwohl das Motorrad schon mehr als in die Jahre gekommen ist und in der Schweiz nicht mal von weitem die MFK Kontrolle bestehen würde fühle ich mich wie früher als kleiner Junge und geniesse das tolle Gefühl, mit einem Motorrad unterwegs zu sein.

Cochin, 3. - 6. Februar
Nach einigen Tagen der Abkühlung geht es heute wieder zurück nach Cochin, denn morgen gibt es einen Blitzbesuch meiner Kollegin Anita, die ich vor 2 Jahren auf meiner Reise durch Myanmar kennengelernt habe. Das heisst für mich einige Tage länger in diesem heissen Cochin zu schmoren, aber glücklicherweise gibt es ja genügend nette Orte wie gekühlte Restaurants, eine luftige Meerespromenade oder eine nette sunset cruise (sorry wie heisst das geschickt auf Deutsch ?), um Erinnerungen aufzufrischen oder sich sonst über Allerlei zu unterhalten. In den Diskussionen mit meiner Kollegin, die leidiglicherweise immer noch im Arbeitsprozess feststeckt und zu ihrem täglichen Output genötigt wird, um sich solche Fluchtmöglichkeiten wie diese Reise nach Indien finanzieren zu können, wird es mir wieder so richtig vor Augen geführt, wie weit das Ganze für mich bereits schon entfernt ist aber auch, wieviele Jahre ich selbst nutzlos in diesem Hamsterrad verbracht habe und gerannt bin wie verrückt, um am Abend doch nur wieder dort zu landen, wo ich am Morgen begonnen habe. Mir ist es ja wohl bewusst, auf welch hohem Niveau ich klage, denn wenn ich jetzt zum Fenster rausschaue während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich fast nur Leute, denen nichts anderes übrigbleibt, als das ganze Leben hart für jede einzelne Rupee zu kämpfen, um ein nur halbwegs anständiges Leben verbringen zu können und ihren Kindern zumindest einen Start ins Leben zu ermöglichen, der nicht schlechter ist als ihr eigener war. Aber es macht wohl keinen Sinn Vergleiche zu machen, ebenso wie es keinen Sinn macht, Parallelen zwischen dem Christentum und dem Hinduismus zu finden. Am Schluss ist es ja eh nicht wichtig was, wieviel oder für wieviel man es gemacht hat sondern nur warum, wie bewusst und wie echt man es gemacht hat.
Ah ja und dann noch dies: Als Anita und ich zur Feier des Tages am Samstag Abend noch ein Bier in der hoteleigenen Bar zusammen drinken wollen, wird uns ohne Grund schlicht und forsch der Zugang verweigert. Nachforschungen haben dann ergeben, dass es für Anita schlicht zu gefährlich gewesen wäre, sich als Frau in dieser Bar unter lauter angeheiterten und triebdruckgestauten Indern zu befinden. So müssen wir unser Bier dann halt notgedrungen im Zimmer zu uns nehmen. Übrigens geht das in gewissen Restaurants, wo Alkohol ausgeschenkt werden darf (was in Indien eine Seltenheit ist) sogar so weit, dass sogar die Rauchräume geschlechtergetrennt sind. Wo käme man denn hin, wenn sogar die Männer den Frauen eins blasen würden ?

Mettupalayam, 6. - 7. Februar
Nach schönen Tagen in Cochin trennen sich die Wege von Anita und mir wieder und ich fahre mit dem Zug Richtung Berge nach Coimbatore. Dann hat es mich wieder im indischen Chaos erwischt: Da ich heute noch weiter nach Mettupalayam will, dem Startort der Zahnradbahn nach Ooty, versuche ich ein Zugticket zu kaufen. Da heute Sonntag ist verkehren jedoch keine Züge dorthin. Die Busstation gemäss Reiseführer gibt es nicht mehr und so muss ich mich durch eine Unzahl von Leuten ohne Englischkenntnisse kämpfen, bis ich endlich im Stadtbus sitze, der mich an den neuen Busbahnhof bringt. Da der Fahrer verschlafen hat warten wir halt eine halbe Stunde in der Hitze, bis der Bus endlich fährt. Der Rest geht dann flink und so komme ich noch zu einem geruhsamen Abend in diesem Mettupalayam.

Ooty, 7. - 9. Februar
Da dieses von den Engländern gebaute Bähnchen, das mich ins 2200 m hoch gelegene Ooty bringen soll, sowohl bei indischen als auch ausländischen Touristen sehr beliebt ist und für einmal keine Platzreservation möglich ist, muss ich mich leider bereits schon um 0530 in die Warteschlange einreihen, um noch ein Ticket zu ergattern. Nachdem das geschafft ist, gilt es nochmals, in einer anderen Warteschlange zu warten, bis um 0600 die Türen des Zuges geöffnet werden. So gondle ich denn um 0700 los und die Dampf-Zahnradbahn benötigt für die 47 km lange Fahrt mit einem Höhenunterschied von knapp 2000 m volle 5 Stunden. Dafür kostet die Fahrt in dieser World Heritage Site auch nur unglaubliche 8 Rupees, das sind geschlagene 18 US-Cents ! Die spinnen die Inder !
Von diesem so berühmten Ooty bin ich eigentlich etwas enttäuscht, denn das kleinere und gemütlichere Dorf Munnar hat mir bei weitem besser gefallen als diese geschäftige Stadt in den Bergen (sprich Teehügel). Das einzig Bemerkenswerte ist die Entdeckung, dass die Schokolade selber herstellen. So decke ich mich zünftig mit schwarzer Nussschokolade ein (verblüffenderweise auch absolut nicht scharf), die man offen aus dem Regal kauft. Nur die letzte Sorte im Gestell, die als "magic chocolate for the man" angepriesen wird, macht mich stutzig. Auf Nachfrage stellt sich dann heraus, dass dieser Schokolade Viagra beigefügt wird. Na ja die Inder.....
So mache ich mich nach einem gemütlichen Tag und 2 arschkalten Nächten (ich denke, das wird in etwa dem Schweizer Durchschnitt ähneln) wieder auf den Weg runter nach Mysore.

Mysore, 9. - 11. Februar
Im Bus mit dem verlockenden Namen "Ultra Deluxe AirBus" (auf Deutsch ist das eine alte Klapperkiste mit Durchzug und mehr Beinfreiheit) geht es heute wieder runter in die Wärme, nämlich ins wegen seines Maharadschapalastes berühmte Mysore (sprich meisoor). Unterwegs durchqueren wir noch zwei der unzähligen Tiger Reservate. Leider lassen sich diese Viecher nicht vom Reisebus aus erspähen, immerhin sichte ich eine weissgepunktete Hirschkuh mit ihrem Kitz, mehrere unterschiedliche Affenherden sowie 6 wilde Elefanten. Die Landschaft ist ebenso toll, es erinnert mich stellenweise stark an die Masai Mara in Kenia.
Am nächsten Tag gehe ich natürlich schnurstracks zum Maharadschapalast, der mich von aussen durch seine Grösse und Bauweise stark an ein Märchenschloss erinnert und mich auch wirklich begeistert. Das Innere kann dann meinen Erwartungen leider nicht mehr ganz genügen, denn da der alte Palast niedergebrannt ist, steht heute an seiner Stelle ein nur etwa 100 Jahre alter Wiederaufbau und der kann es bei weitem nicht aufnehmen mit den wirklich atemberaubenden indischen Baudenkmälern aus der Mughalzeit oder von den Jains. So ist denn meine Besichtigung auch schnell einmal zu Ende und ich merke, wie sehr ich mich auf Goa freue, das heisst an Märsche entlang des Meeres (ohne Lärm, Hupen und Gestank) und an endlich mal gutes und für meinen Geschmack geeignetes Essen (und nicht nur diese heftigen Saucen, die aussehen wie vorverdaut und einen Nachbrenner von etwa einer Stunde haben) ! Mit anderen Worten, ich bin etwas reisemüde.... Hoffentlich passiert mir das nicht auch in Hampi, das von so vielen so begeistert geschildert wird...






1-3: Tempel in Madurai
4-8: In den Kerala Backwaters
9-12: Munnar
13-17: Ooty
18-19: Maharadschapalast in Mysore

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