24 March 2011

38. Indien 3

Hampi, 12. - 15. Februar
Da dieses Hampi verkehrstechnisch sehr unglücklich liegt entscheide ich mich letztenendes für einen gewöhnlichen staatlichen Linienbus ohne verstellbare Rückenlehne (sogar die Ultra Deluxe verkehren nicht auf dieser Strecke) und brauche dabei, wie in Indien üblich, für die wenigen hundert Kilometer eine ganze Nacht. Die Nacht ist schlicht grauenhaft, denn der Bus haltet in jeder Ortschaft und sammelt die letzten verstreuten Passagiere ein, die die Nacht hergibt. So ist denn der Bus gerammelt voll inklusive vieler stehender Passagiere (und mir als einzigem Ausländer). So komme ich denn frühmorgens vollkommen gerädert in Hospet an und ein anderer Linienbus bringt mich schliesslich ins nahe gelegene Hampi. Was ich dann allerdings dort in den nächsten Tagen sehe haut mich schlicht um: auf einem Gelände von 25 km 2 erstreckte sich im 15. und 16. Jh. eine Stadt, die mit 500'000 Bewohnern zur zweitgrössten der Welt gehörte. Heute sieht man neben einigen gut erhaltenen Tempeln leider fast nur noch Ruinen, trotzdem haut mich das Ganze in dieser Felsenlandschaft echt um und ich bin beeindruckt, wie die damals solch riesigen Granitklötze gebildet und für die Erstellung der Bauten in die Höhe gehievt haben.
Durch die zusätzlich sehr netten Kontakte im Guesthouse werden die Tage in Hampi für mich unvergesslich bleiben.
Die Weiterfahrt nach Goa ist dann wieder ein Kapitel für sich. Leider gibt es für diese Nacht keinen Zug sondern nur einen Nachtbus, diesmal aber immerhin die komfortable Variante mit Betten. Mein Bett direkt über der Hinterachse ist aber nur dann echt komfortabel wenn der Bus steht, sonst haut es mich bei jeder Bodenwelle (und von denen gibt es sehr viele) aus der Liegeposition senkrecht in die Höhe. Dass der Bus im Laufe der Nacht durch einen Irren, der einen Stein wirft, auch noch der Windschutzscheibe entledigt wird, verbessert auch nicht unbedingt das Wohlbefinden, denn der arme Fahrer ist in dieser kühlen Nacht in alle Kleider eingewickelt, die ihm seine Kollegen ausgeliehen haben und sieht hinter dem Steuer aus wie eine einbalsamierte Mumie.

Goa, 16. - 22. Februar
Schliesslich kommen wir aber trotzdem noch in aller Frühe in Goa an und nach einer kurzen Busfahrt erreiche ich den Strand bei Calangute, mein Zuhause für die nächste Woche. Die Suche nach einer Bleibe gestaltet sich erstaunlich schwierig, denn erstens sind die Preise ziemlich überhöht gegenüber dem restlichen Indien und zweitens will ich nicht schon wieder durch rücksichtslose Inder (jeder Reisende kennt leider unzählige Geschichten) im Schlafe gestört werden. So finde ich nach langer Suche bei einer Schweizerin und ihrem goanischen Ehemann eine nette Bleibe im ersten Stock eines Hauses in einer ruhigen Ecke dieses Strandes, die eigentlich eher an eine Ferienwohnung für eine ganze Familie erinnert.
Goa hat sich nach kurzem Hinsehen seit meinem letzten Besuch vor 15 Jahren stark entwickelt: die wenigen kleinen netten Strandhütten sind gewichen einer unendlichen Reihe von ausgebauten Restaurants, Sonnenschirmen und Strandliegen, um die mehrheitlich russischen, britischen und skandinavischen Pauschaltouristen zu bedienen. Vorbei sind auch die coolen Goa Parties, denn heute ist um 10 Uhr Schluss. Geblieben ist einzig die Horde von jungen indischen Männern, am Strand häufig nur in Unterhosen unterwegs, die es offensichtlich für das eigene beschränkte Sexualleben unglaublich bereichernd finden, sich auf die Suche nach weiblichem westlichen Fleisch egal welchen Alters zu machen und das dann ungeniert anzustarren. Die eigenen Frauen sind züchtig verhüllt und wenn sie verheiratet sind kriegen die Männer mehrfachen Erkundigungen gemäss auch fast nichts zu sehen als meterlange Bahnen von Saris, die alles Schamhafte peinlichst genau verhüllen und sich wie Jahresringe von Bäumen jedes Jahrvergrössern. Ah ja und nach einigen Jahren, nachdem sich diese Frauen dann zu voller Körperfülle aufgebläht haben möchten die armen Inder wohl auch nicht mehr genauer hinschauen. Tja !
So verbringe ich hier 7 Tage nach dem Motto "Ferien von den Indern", laufe stundenlang dem Strand entlang, sitze in unzähligen Restaurants direkt im Sand, geniesse Ferien wie die Pauschaltouristen und spanne auf meiner Terrasse aus bevor ich mich langsam wieder dem Fortgang meiner Reise widme.
Diese Planung hat es wahrlich in sich, denn der Zug, den ich nehmen möchte, bedient die Strecke Goa-Mumbai und ist auf über 2 Wochen hinaus vollständig ausgebucht. So bleibt mir wieder mal nichts anderes übrig, als mich auf eine Nacht im strassengebundenen Schlafgemach vorzubereiten.

Aurangabad, 23. - 25. Februar
Über die Nacht selbst kann ich nicht viel berichten, es war so wie erwartet halt, ausser dass die ganze Rumpelkiste klimatisiert ist und jede Schlafkoje einen Bildschirm hat (natürlich mit höllisch lautem Bollywood Gesinge und Getanze). So komme ich am morgen früh in Poona an und mache mich gleich auf die Suche nach der Weiterfahrt. Bald finde ich in einem der Busterminals einen wunderbaren modernen Aircon Bus, der mit seinem poppigen Blau unglaublich stark kontrastiert zum fast schon verfallenen Terminal, wo um diese Zeit sich alle Bettler, die dort übernachtet haben, langsam von ihrem Schlafgemach, dem harten Betonboden, erheben. So komme ich zu unerwarteten 4.5 Stunden fast schon überirdischem indischem Komfort in diesem Businessbus, bevor wir in diesem Aurangabad ankommen. Habe ich schon Gerüchte darüber gehört, so verwundert mich die Realität nicht allzu stark, denn es handelt sich wieder um eine Stadt, die dem erfahrenden Reisenden alles bietet, was er garantiert nicht sucht, inklusive der obligaten mehrmaligen Rückgabe von höllisch scharfem Zeugs, das als absolut nicht scharf angepriesen wurde, einer Mehrzahl von Leuten die kein Englisch sprechen usw. ! Indien pur ist das, was ich ja auch schon früher geschildert habe, darum lasse ich die Einzelheiten aus. Nach harter Suche finde ich auch ein Hotel, das zwar ziemlich heruntergekommen und schmutzig ist, mir aber unerwarteterweise 2 ruhige und kühle Nächte ermöglicht. Das weitere Besuchsprogramm kontrastiert wieder einmal gewaltig mit der indischen Gegenwart und wird zu den spektakulären Höhepunkten meiner 3 Reisemonate in Indien gehören, denn ich besuche die Höhlen von Ellora und Ajanta, die als Weltkulturerbe bei UNESCO verbucht sind. Dies sind absolut keine gewöhnlichen Höhlen, sondern wurden von Menschenhand zwischen dem 4. Jh.v.Chr. und dem 10. Jh.n.Chr. mit gewöhnlichen Hämmern und Meisseln aus dem Fels geschlagen ! Heute finden sich spektakuläre Tempel und Klöster mit fantastischen Steingemälden und Malereien in diesen Höhlen. Die Bauzeit des Haupttempels hat alleine 100 Jahre gedauert... So wandle ich in 2 Tagen durch diese total über 50 Höhlen aus der buddhistischen und hinduistischen Zeit und verdurste fast in der Hitze, weil ich vor lauter Staunen fast alles andere vergesse. Besonders beeindruckend ist auch die thailändische Pilgergruppe, die mich durch ihre buddhistischen Gesänge in den Höhlen fast zum Weinen bringt und durch ihre Ruhe und Intensität so angenehm kontrastieren zu den lauten indischen Besuchsgruppen.
Doch die indische Realität ist wiederum nicht weit: Nachdem ich den Bus ins nördlich gelegene Jalgaon besteige befinde ich mich urplötzlich wie in einem schlechten Film, denn ich sitze in den hinteren Reihen inmitten eines Gefangenentransportes mit richtigen Polizisten mit Maschinengewehren und Gangstern in Handschellen ! Nach Ankunft in dieser wiederum sehr indischen Stadt überbrücke ich die vielen Stunden bis zur Abfahrt in einem für indische Verhältnisse sehr ungewöhnlichen Gartenrestaurant (sonst sind die typisch indischen Restaurants nicht viel mehr als nüchterne Abfertigungsbetriebe zur schnellen Einnahme des Futters) und plane meine weitere Reise. Wiederum machen mir die indischen Staatsbahnen bei der Reservation dabei gleich zweimal einen Strich durch die Rechnung durch Züge, die über Tage hinaus vollständig ausgebucht sind und selbst eine Warteliste von mehreren hundert Plätzen haben. So sollen doch die ohne mich durch die Gegend fahren und in hoffnungslos überbuchten Zügen ihr strammes Defizit einfahren, denn lediglich der Güterverkehr produziert hier schwarze Zahlen. Haben die denn noch nie was von Anpassung der Fahrpreise an die Nachfrage gehört ?
So winkt mir die nächste Nacht wiederum im strassengebundenen Schlafgemach und ich fahre im Nachtbus nach Indore, wo ich morgens um 0430 ankomme. Sofort mache ich mich an die Organisation der Weiterreise nach Bhopal, wohin ich eigentlich möchte. Was sich zu dieser Zeit sowohl auf dem Eisenbahn- wie auch auf dem Busbahnhof abspielt ist phänomenal: Jeder Quadratmeter Boden ist besetzt mit schlafenden Personen, die so zumindest für die Nacht ein Dach über dem Kopf und etwas Schutz haben. So kurve ich mit meinem Gepäck um all diese eingewickelten Gestalten und siehe da, bereits um 0530 fährt ein angenehmer Bus die 5 Stunden nach Bhopal. Doch die Organisation ist diesmal nicht so wie anderswo, denn Englisch ist sowohl als gesprochene Sprache als auch bei Beschriftungen absolut nicht bekannt. Keine einzige Tafel ist in Englisch und nebem dem Wort Bhopal habe ich mit keinem meiner Gesprächspartner ein gemeinsames Wort in Englisch. Dass der Entwicklungsgrad dieser Region entsprechend ist versteht sich dabei fast von selbst.

Bhopal, 26. Februar - 1. März
Auch in Bhopal selbst scheint derselbe Entwickungsstand zu sein wie in Indore, trotzdem es eine Millionenmetropole und die Hauptstadt des Bundesstaates Madyha Pradesh ist geht es aussergewöhnlich rural zu und her.
Doch auch hier liegen Licht und Schatten wieder nahe beeinander, denn ich besichtige im nahegelegenen Sanchi eines der ältesten buddhistischen Bauwerke überhaupt, datierend aus dem 3. Jh.v.Chr. Alle diese ehemaligen Tempel und Klöster liegen auf einem Hügel und mich haut wieder die steinbildhauerischen Fähigkeiten dieser Leute aus dem Sockel. Wenn man bedenkt, zu was man in Europa im 3. Jh.v.Chr. fähig war...
Neben Besuchen in den verschiedenen Märkten der Stadt und der netten und beruhigenden Seepromenade besuche ich in Bhopal auch noch die Stelle, wo 1984 das Union Carbide Desaster stattgefunden hat, ca. 1 km Luftlinie von meinem Hotel weg......
Da es für die Weiterreise für einmal nur per Zug weitergeht und ihr, ja ihr wisst es schon, alle Züge ausgebucht sind, ist es mir nur möglich, um 5 morgens meine Weiterreise nach Jhansi anzutreten.
Orchha, 1.- 5. März
So bin ich also rechtzeitig im Bahnhof und schaffe es trotzdem irgendwie, den Zug, der angeblich gehalten hat, zu verpassen. Ich bin mir immer noch sicher, dass der Zug gar nie angekommen ist ! Oder melden sich so die ersten Altersbeschwerden ? Dank der gütigen Hilfe des Bahnhofvorstehers, der mich peinlicherweise unter den Augen von tausenden von Indern bis ins Zugabteil begleitet, nehme ich halt den nächsten Zug 2 Stunden später und lande so doch noch zu angenehmer Zeit in einer Stadt namens Jhansi. Nach dieser Hektik komme ich wenig später per vollgestopfter Autoriksha im für indische Verhältnisse fast schon zu ruhigen Orchha an, das mir, eingebettet zwischen Fluss und Palast aus der Mughalzeit, auf Anhieb gefällt.
Der Palast aus dem 16. Jh. ist von aussen imposant, das Innere kann da leider nicht ganz mithalten, da am Unterhalt ziemlich gespart wird. Trotzdem ist die Architektur interessant und so bleibe ich hier auch etwas länger als geplant. Die Schlaferei hier ist soweit ganz OK, wenn es nur nicht ein paar ältere Männer gäbe, die in einem nahegelegenen Kloster via Lautsprecher 24 h am Tag das Ramayana singen, da es im Dorf einen Tempel gibt, der offensichtlich dem Gott Rama gewidmet ist. So singen denn die ohne Unterbruch 1 Jahr lang und wecken mich auch prompt in der Nacht auf. Unwissend und genervt frage ich am Morgen dann den Typen vom Hotel, was das für ein "stupid guy" sei, der mitten in der Nacht singt, sehr zum Ärger der mithörenden indischen Zimmernachbarn, die sofort aus dem Zimmer kommen und mich ob meines ignoranten Kommentars böse anblicken. Einen besonderen Höhepunkt erziele ich hier noch mit dem Kauf meines letzten Bahntickets, aber das erzähle ich euch dann später.




1-5: Hampi
6-7: Goa
8-12: Ajanta Caves
13-17: Ellora Caves
18-20: Sanchi
21-23: Orchha

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